Wie zeigen wir Intimität?

Schauspiel
19. Dezember 2025

Salome, du bist Intimacy Coordinator in der Luzerner Inszenierung von «Resonanzen». Wie „intim“ ist dieses Theaterstück von Matthew López?

Das Stück ist eines der intimsten, von all den Stücken, die ich kenne, ob klassisch oder modern.

Es ist intim im Aufzeigen der Verletzlichkeit, der Verletztheit der einzelnen Figuren. Ihre Einsamkeit und ihre Träume werden sehr intim in Szenen und Bilder gesetzt. Und das Stück geht physisch auf die Suche nach Intimität in der Begegnung. Von ganz fein bis radikal wild.

Das Stück an und für sich handelt von Intimität. Das ist das Kernthema meines Erachtens.

Was bedeutet Intimacy Coordinator und was konkret ist deine Arbeit im Probenprozess?

Als Intimitäts-Koordinatorin unterstütze ich eine Produktion bei der Umsetzung von Szenen mit intimen Inhalten / Nacktheit / Sex / sexualisierter Gewalt, um die Vision der Regie bestmöglich – und innerhalb der professionellen Grenzen der Darsteller*innen – umzusetzen und einen Rahmen zu gestalten, einen «Safe Space», der für alle Beteiligten auf und hinter der Bühne in jedem Aspekt und jeder Phase des Prozesses sicher ist. Das bedeutet für die Schauspieler*innen: Ist ihre private Intimität geschützt, können sie sich ganz auf die Intimität ihrer Figuren einlassen und sie in der Fülle und Tiefe zum Ausdruck bringen.

Muss auch ein Publikum vor zu viel Intimität auf der Bühne geschützt werden?

Es geht nicht darum, dass wir das Publikum schützen müssen, sondern wie wir Intimität zeigen.

Intimität ist nicht gleich Sex. Da gibt es ein grosses Missverständnis.

Intimität, und um das geht es im Stück «Resonanzen», bedeutet, verschiedenste Arten von Berührung. Bedeutet den Raum zwischen mir und den anderen. Die Ambivalenz von Anziehung, Begehren, Schutz. Sich jemandem ganz öffnen und meine zutiefst menschliche Angst vor dieser Öffnung.

Die Frage ist also viel mehr: Wie zeigen wir Intimität, wo setzen wir die Grenzen? Um was für Emotionen geht es in der einzelnen Situation? Wie findet sie Form und Ausdruck? In der Begegnung, in der Choreografie, in der Berührung der Schauspielerinnen.

Da hilft mir meine Erfahrung als Choreografin enorm.

Und: Wir schützen das Publikum, indem uns bewusst ist, dass das Publikum Teil eines Theaterabends ist, also in gewisser Weise mitspielt. – Das ist auch ein intimer Akt. Das ist das Einzigartige am Theater als Theater.

Dieses Bewusstsein verändert unsere Arbeit, ohne dass wir uns anbiedern oder Kompromisse machen. Es ist eine Form von Respekt, den wir dem Gegenüber und für uns selbst haben, sei es in der Produktion, in den Proben oder mit dem Publikum.

Wenn du auf unsere Gegenwart blickst: Wie können wir uns auch physisch auf eine Zeit vorbereiten, die insgesamt eher beunruhigend wird?

Bewahre einen ruhigen Geist. Tanze viel. Höre in dich hinein. Respektiere dich selbst. Spüre deinen Mut. Übe Tai Chi Quan oder sonst eine Form von bewegter Meditation (und Selbstverteidigung) – und sei es das Waschen oder Kochen. Lausche in die Stille. Strebe nach Wachstum. Geh oft in die Natur. Suche Gemeinschaften. Traue dich, dich und andere herauszufordern. Hör auf, dich wie ein Andenken zu behandeln. Iss leckeres Essen. Teile. Spaziere in der Sonne. Spring in den Vierwaldstättersee. ..... etc., etc.

Salome Schneebeli ist eine Schweizer Künstlerin und Choreografin, die in der Inszenierung von «Resonanzen» am Luzerner Theater für Inimacy Coordination zuständig war.