
«Serata di Canzoni» am 2. Juni
Marcela Rahal & Vladyslav Tlushch im Trailer & im Interview:
Luzerner Theater: Am 2. Juni findet erneut der Liederabend «Serata di Canzoni» am Luzerner Theater statt. Gibt es in diesem Jahr etwas Neues?
Vladyslav Tlushch: Wir bereiten ein wunderbares Programm vor, und diesmal mit dem Chor. Es wird grossartig!
Marcela Rahal: Ja, und dieses Jahr präsentieren wir unsere «Serata di Canzoni» im Foyer, einem wirklich wunderschönen Ort mit tollem Abendlicht und voller Grünpflanzen – und das passt wirklich hervorragend zum brasilianischen Teil meines Konzerts. Und ich freue mich darauf, dass uns William Green am Piano begleiten wird.
Luzerner Theater: Green ist der Korrepetitor am Luzerner Theater. Wie sieht die Zusammenarbeit mit ihm aus?
Vladyslav Tlushch: Ich kenne William jetzt seit über als fünf Jahren. Wir haben zusammen gewohnt, als wir unser Praktikum im Opernstudio des Opernhaus Zürich absolviert haben. Die Hauptaufgabe eines Korrepetitors besteht ja darin, Sänger*innen umfassend auf den Bühnenauftritt vorzubereiten. Dazu gehören Dinge wie das Erlernen der Partitur unter Einhaltung der originalen Tempi und Noten des Komponisten, die korrekte Aussprache und das Verständnis des Textes und des Kontextes, musikalische Anweisungen und Farben, und manchmal auch Hilfe bei stimmtechnischen Schwierigkeiten. Kurz gesagt, sie sind sehr wichtige Leute im Theater!
Luzerner Theater: Marcela Rahal, Sie gewannen 2024 beim 61. Internationalen Gesangswettbewerb Tenor Viñas im Gran Teatre del Liceu, Barcelona den 1. Preis – seither haben Sie unter anderem neben Ihrem Luzerner Engagement an der Mailänder Scala in Verdis «La forza del destino» gesungen. Wie haben Sie die Zeit seither erlebt?
Marcela Rahal: Der Gewinn dieses Wettbewerbs war wirklich ein Wendepunkt für mich und meine Karriere. Da die Jury aus Casting-Direktoren der renommiertesten Theater der Welt bestand, durfte ich mich ihnen vorstellen – woraus sich Einladungen am wunderbaren Teatro Alla Scala und am Royal Opera House ergaben. Gewisse Dinge fühlen sich immer noch surreal an, wie das Singen neben Ludovic Tezier und Anna Netrebko. Es war ein Traum, der wahr wurde, und eine Erfahrung, die mir sehr am Herzen liegt. Selbst wenn ich nicht sang, schaute ich ihnen gerne bei den Proben zu, lernte und nahm alles auf, was ich konnte.
Luzerner Theater: Stimmt es, dass Sie – Vladyslav Tlushch – an der «Serata di Canzoni» Lieder von Ludwig von Beethoven singen werden?
Vladyslav Tlushch: Ja, ich werde zum ersten Mal den Liederzyklus «An die ferne Geliebte» von Beethoven aufführen. Ich habe mich bewusst für diesen Zyklus entschieden, da er als der erste echte Liederzyklus für Singstimme und Klavier gilt. Für mich ist es besonders wertvoll, Beethovens Frühwerk zu kennen, seine Intimität und lyrische Seite, die gerade in diesen Stücken – ich würde sagen – so hell und liebevoll ist.
Luzerner Theater: Und was bei Vladyslav Tlushch Beethoven ist, das ist bei Ihnen, Marcela Rahal, Berg?
Marcela Rahal: Genau, ich werde einen von Alban Berg komponierten Zyklus mit dem Titel «Sieben frühe Lieder» singen – eine Sammlung von Liedern, die seiner Frau Helene Berg gewidmet sind. Sämtliche Lieder in diesem Zyklus handeln von Momenten und Gefühlen, die wir durchleben, wenn wir jemanden wirklich von Herzen lieben. Obwohl es bereits in diesen frühen Stücken erste Anzeichen für die Atonalität gibt, die für Berg später wichtig wird, klingen sie immer noch wie ein spätromantischer Zyklus.
Luzerner Theater: Die «Serata di Canzoni» ist wie eine musikalische Reise um die Welt gedacht. Welche Lieder bringen Sie aus Ihrer Heimat mit?
Vladyslav Tlushch: Ich werde zwei Lieder des herausragenden ukrainischen Komponisten des 20. Jahrhunderts singen, er heisst Yakiv Stepovyi. Sein Schaffen spiegelt häufig Motive des Volkslebens und der Heimatliebe wider. Das Lied «Der Schmied» thematisiert das Bild des Schmieds als Symbol für Arbeit, Stärke und nationalen Geist. Im Lied «Die Wolke» erscheint eine Gewitterwolke als Allegorie der Revolution. Sie steht für die spontane, unbändige Kraft des Volksaufstandes, der die alte Ordnung hinwegfegt und Erneuerung bringt.
Luzerner Theater: Sind Sie noch mit Menschen in der Ukraine in Kontakt? Wie geht es ihnen?
Vladyslav Tlushch: Meine Eltern und Großeltern sind nach Beginn des Krieges in der Ukraine geblieben – in meiner Heimatstadt Ternopil. Auch in Lwiw und Kyiv habe ich enge Freunde. Mehrere von ihnen hat der Krieg auf tragische Weise getroffen – manche wurden vertrieben, andere kämpfen an der Front oder sind gefallen. Solche Ereignisse sind für mich also keine abstrakte Realität, sondern ein tief persönliches Erleben, das meine Familie, meine Freunde und mein eigenes Gefühlsleben betrifft.
Luzerner Theater: Welche Beziehung haben Sie zur Musik und zu Lieder Ihres Heimatlandes?
Vladyslav Tlushch: Wir verfügen über einen reichen Schatz erhaltener Musik – sowohl lyrisch-dramatische als auch einfache, alltägliche Liebeslieder. Und ich muss gestehen: Ich liebe ukrainische Volks- und Kunstlieder sehr. Ich glaube, dass wir alle mit dem Beginn des Krieges begonnen haben, uns selbst und die Welt ein wenig anders zu sehen – ganz zu schweigen von der Musik. All die schrecklichen Ereignisse in meinem Land haben mich als Mensch verändert und auch meine musikalische Wahrnehmung beeinflusst – nicht nur in Bezug auf ukrainische Musik, sondern auf Musik im Allgemeinen. Und doch wünschte ich mir manchmal, meine Beziehung zur Musik wäre noch so unbeschwert wie vor dem Krieg.
Luzerner Theater: Was werden Sie – Marcela Rahal – aus Ihrer Heimat Brasilien mitbringen?
Marcela Rahal: Eines der brasilianischen Lieder, die ich singen werde, heisst „Trovas“ und es war das erste brasilianische Lied, das ich je gesungen habe. Ich musste es für meine Aufnahmeprüfung für meinen Bachelor-Abschluss in Oper in Brasilien im Jahr 2012 lernen, und es ist ein Lied, das mir sehr am Herzen liegt. Die Phrase, die im Refrain gesungen wird, klingt für mich als Sängerin immer noch wahr: «Wanting to cry, I sing», oder auf Deutsch: «Ich möchte weinen, und singe». Wenn wir traurig sind, dann ist es oft die Musik, die uns aufrichtet und uns dazu bringt, weiterzumachen und uns das Herz aus dem Leib zu singen. Aber da wir Menschen sind, weinen wir halt auch, wenn wir etwas singen und von unseren Gefühlen überwältigt werden. Und neben diesem Stück singe ich Lieder von Komponisten wie Heitor Villa-Lobos, Alberto Nepomuceno, Guinga, Marlos Nobre und anderen. Der zweite Teil meines Konzerts wird also brasilianische Lieder verschiedener Komponisten enthalten. Es wird ein sehr persönliches und vielseitiges Konzert sein!