Kostüme Goldberg-Variationen

Poetische Variationen aus Stoff

Tanz
9. Januar 2024

Poetische Variationen aus Stoff

Sarah Hofer und der Entstehungsprozess der Kostüme für die «Goldberg-Variationen»

 

Kostüme für Tanz haben vielen Anforderungen zu genügen: Aufgabe ist zunächst, wie in allen anderen Sparten auch, dass sie die Idee, die im Zentrum eines Werkes steht, optisch transportieren, unterstützen, verstärken, manchmal aber auch ironisieren, konterkarieren usw. Im Tanz spielt die Bekleidung der Tanzenden jedoch eine besonders grosse Rolle, erfolgt doch die wesentliche Kommunikation mit dem Publikum durch die sich bewegenden Körper auf der Bühne. Gleichzeitig sind die Herausforderungen an die Kleidungsstücke besonders anspruchsvoll: Auch bei extremsten Bewegungen dürfen die Kostüme weder stören, einengen, einreissen oder durch schlechten Schnitt gar Unfälle verursachen. Sie werden daher passgenau für jedes einzelne Ensemblemitglied zugeschnitten. Wie lässt sich das aber mit dem Bemühen um Nachhaltigkeit vereinbaren?

Für die «Goldberg-Variationen» hat auch die Kostümbildnerin Sarah punktuell auf den grossen Kostümfundus des Luzerner Theaters zurückgegriffen. Angesichts der genannten Anforderungen hat sie den Schwerpunkt jedoch auf die verwendeten Stoffe und vor allem auf eine ungewöhnliche und besonders umweltschonende Färbetechnik gesetzt. «Ecoprint» bzw. «Bundle-Dye» genannt, handelt es sich dabei um ein handwerkliches Kontaktfärbeverfahren auf Stoff. Dabei nutzt man, dass die Natur selbst eine Fülle an Färbematerialien bereithält. Farbquelle können Blüten und Blätter von Pflanzen sein, genauso aber auch Wurzeln, Früchte oder Rinden. Dadurch, dass anstelle von künstlich erzeugten, umweltbelastenden und womöglich gesundheitsschädlichen Farben ausschliesslich die genannten natürlichen Ressourcen verwendet werden, können alle Kleidungsstücke am Ende ihrer Lebensdauer problemlos wieder an die Natur zurückgegeben werden. Der experimentelle Charakter des Prozederes ist auch künstlerisch reizvoll, denn man gibt dabei zu einem gewissen Grad die Kontrolle ab. Es ist nie ganz vorhersagbar, welche farbenfrohen und variationsreichen Muster die Naturmaterialien im Stoff hinterlassen. Manche eher unscheinbar wirkenden Pflanzen erzeugen eine gewaltige Farbintensität, grosse, bunte Blüten hingegen nicht. Ob etwas besonders gut färbt oder nicht, lässt sich immer nur durch Ausprobieren bestimmen.

Wie funktioniert das Verfahren nun genau? Zunächst werden möglichst verschiedenfarbige Pflanzteile auf dem Stoff verteilt. Dieser wird sodann eingerollt und mit einer Schnur fixiert. Durch anschliessendes Dämpfen des Bündels übertragen sich die Farben mehr oder weniger unkontrolliert und aquarellartig von den Pflanzteilen auf den Stoff; unzählige kochend heisse Wassertröpfchen sind dabei behilflich, die Farbpigmente zu lösen. Die Farbsubstanzen vermischen sich wiederum mit der Beize, mit der der Stoff zuvor behandelt wurde und verbinden sich so dauerhaft mit dem Stoff. Damit die fertigen Stoffe auch für Theaterkostüme verwendet werden können, ist allerdings eine gewisse Waschechtheit notwendig. Der Druck darf im Laufe der Zeit nicht ausbleichen. Die Stoffe, die für das Färben mit Naturmaterialien genutzt werden, bestehen aus reinen Naturrohfasern und sind daher kaum elastisch. Umso grössere Sorgfalt ist daher bei der Schnittführung vonnöten, damit die Kostüme für alle genannten Herausforderungen des Tanzes geeignet sind.

 

Text: Wanda Puvogel, Sarah Hofer