
Fragen zum Morgen: Was bedeutet Realität für dich?
Realität ist für mich, dass es nach jedem Erlebnis, ob positiv oder negativ, weitergeht. Das Leben steht nie still und ist mir eigentich zu schnelllebig. Dies ist aber die Realität. Dieser Schnelllebigkeit probiere ich ab und an zu entfliehen und suche mir Momente, wo ich innehalten kann, um das Erlebte zu geniessen bzw. zu verarbeiten.
Andy Schmid, Handball-Nationaltrainer des Schweizer A-Teams Männer. Hergiswil
Realität hat etwas zu tun mit Wahrnehmung. Unsere Wahrnehmung ist unsere Realität. Realität ist so gesehen nicht eindeutig. Sie setzt sich zusammen aus unseren Wahrnehmungen, aber auch aus unseren Erfahrungen, Überzeugungen und Erwartungen. Das wird unter anderem deutlich an Verschwörungstheorien. Da haben wir es mit anderen «Realitäten» zu tun. Sorge bereitet mir da, dass der Diskurs über das, was Realität ist, was wir also als Realität wahrnehmen, zum Teil kaum mehr möglich ist.
Aline Kellenberger, Pfarrerin an der Citykirche Luzern
Realität bedeutet für mich, Entscheidungen zu treffen und für diese einzustehen. Ich gestalte mir meine Welt, wie ich es für richtig halte, und dementsprechend ändert sich auch meine Realität. Gleichzeitig müssen wir auch mit den Entscheidungen anderer klarkommen. Dieses Kompromissfinden macht unser Leben vielleicht etwas schwieriger, aber dafür auch um einiges interessanter.
Marilu Egli, Schülerin, ehemalige Teilnehmerin der Theaterkids der Stadt Luzern
Realität ist die Startrampe für die Mission in den Möglichkeitsraum der Zukunft. Warum fehlt uns die Zuversicht in den Fortschritt? Warum glaubt eine Mehrheit, dass es unseren Kindern und Kindeskindern schlechter gehen wird? Realität ist eine Bewertung. Der Zeitgeist fokussiert auf Verluste. Doch ob etwas als Verlust wahrgenommen wird, hängt von unserem Blickwinkel ab. Dinge und Verhältnisse verschwinden zwar. Doch ob sie als negativ beladener Verlust gesehen werden oder nicht, ist unsere Bewertung. Wenn etwas verschwindet, schafft es auch Raum für Neues. Welches Möglichkeits-Raumschiff steht auf der Startrampe? Was gehört (neben den Problemen) zu unserer Realität?
Noch nie in der Geschichte unserer Spezies gab es so viele gut ausgebildete Menschen weltweit. Kreativität und Intelligenz sind die genuin menschlichen Talente. Sie treiben Innovationen voran – technisch, sozial, kulturell und wirtschaftlich.
Wissen wächst exponentiell: Biologie, Umweltwissenschaften, Raumfahrt, Materialtechnologien und vieles mehr helfen uns, bessere Lösungen zu finden für aktuelle und künftige Herausforderungen.
Der Weg zu unerschöpflicher Energie aus erneuerbaren Quellen dürfte bald frei sein – das ist buchstäblich Treibstoff für Fortschritt, Wohlfahrt und Wohlstand.
Künstliche Intelligenz gibt uns ganz neue Werkzeuge für eine bessere Welt in die Hand: Ressourcenschonung, weniger Arbeitslast, bessere Gesundheitsversorgung, Demokratisierung von Wissen, präzisere Prognosen.
Die Anerkennung legitimer Bedürfnisse von vulnerablen Personen, Kindern, Volksgruppen mit Unrechtserfahrungen und Menschen mit anderen Selbstbildern ist gewachsen. Dieses Mehr an Verständnis schafft auch ein Mehr an Freiheiten zu einem selbstbestimmten und selbstgewählten Leben.
Möglich ist vieles: Eine bessere Welt oder der Weg in die Apokalypse. Das Design des Raumschiffs auf der Abschussrampe «Realität» entscheidet. Zur Ausstattung gehört, statt Verluste zu beklagen, die Gewinne zu sehen; Zuversicht statt Nostalgie zu üben; Resignation durch den Aufbruch zu ersetzen; Optimismus zu verströmen, statt sich in apokalyptischen Bildern zu suhlen. Die Rakete braucht zur Navigation Visionen, wie wir unsere künftige Realität gestalten wollen. Die Zündschnur ist entflammbar – wenn wir sie nicht in den Tränen über vergangene Verluste ertränken.
Georges T. Roos, Zukunftsforscher. Luzern